Analyse von wiederholten Messungen
Viele Studienansätze liefern wiederholte Messungen eines bestimmten Merkmals an verschiedenen Zeitpunkten. Die Auswertung und Berechnung mit SPSS gelingt einem meist irgendwie, aber spätestens der Output wird für erstmalige SPSS- Anwender kaum zu deuten sein (Bühl (2014), S 409). Hier gibt es Multivariate Tests, Test der Innersubjekteffekte, Tests der Zwischensubjekteffekte usw. und überall gibt es signifikante Werte.
Um all die Tabellen zu deuten bedarf es eines statistischen Hintergrundwissens daher beschreibe ich hier ein fiktives Beispiel für eine Datenreihe mit Messwiederholung.
Die Messwerte sind die Beobachtung von zwei Patienten-Gruppen Kontrollgruppe und Untersuchungsgruppe. Bei den Patienten handelt es sich um Intensivpatienten, beim Messwert um die Restmenge an Mageninhalt der über die Zeit beobachtet wird.
Bei der Betrachtung von Messwiederholungen sind zwei wesentliche Eigenschaften von Interesse der Gipfelwert und das Wachstum. In der Abbildung wird deutlich, dass die Patientengruppe mit der Therapie einen andern Verlauf in der Restmenge aufweist als die Kontrollgruppe. Start und Endwert sind nicht sehr unterschiedlich, das Maximum ist deutlich unterschiedlich und bei der Kontrollgruppe zeigt sich ein deutlich ausgeprägter Gipfelwert.
Auswerten mit Excel
Der Verlauf eines Gipfelwerts lässt sich bereits mit MS-Excel auswerten. Mit den Bordmitteln von Excel lassen sich Minimum, Maximum, Regressionskoefizienten und AUC (Fläche unter der Kurve) berechnen und mit einem T-Test auf Signifikanz prüfen. Den T-Test gibt es bei Excel über die Analysefunktionen. Das Excel Beispiel dazu habe ich hier . (Die zugrunde liegenden Formeln finden sich bei Sachs (2006) Seite 545).
Aus den vorliegenden Ergebnisse lässt sich ableiten: Der Startwert unterscheidet sich nicht signifikant. er Maximalwert(p=0,007) und die Fläche (p=0,032) unter der Kurve sind signifikant verschieden. Zum Zeitpunkt der letzten Messung kann aus den Daten kein Unterschied belegt werden.
Tab1: Wiederholte Messung in zwei Gruppen (Untersuchungsgruppe mit Therapie Kontrollgruppe ohne Therapie) zu 5 verschiedenen Zeitpunkten angegeben. In der Tabelle sind Mittelwerte, T-Wert und Signifikanz. Auswertung mit MS- Excel
Quelle | Therapie Ja | Therapie Nein | T-Wert | p-Wert |
---|---|---|---|---|
Max | 569 | 843 | -2,88 | 0,007 |
AUC | 1451 | 1897 | -2,22 | 0,032 |
REGR | -62 | -30 | -1,22 | 0,230 |
Startwert | 446 | 547 | -1,11 | 0,273 |
Endwert | 199 | 293 | -1,56 | 0,125 |
Als erste Betrachtung ist diese Auswertung mit Excel durchaus hinreichend für weitergehende Analysen ist es notwendig sich genauer Gedanken über Verteilung der Daten und der zugrunde liegenden Hypothesen zu machen.
Auswerten mit SPSS
Der traditionelle Ansatz für die Analyse von Messwiederholungen ist die Varianzanalyse (ANOVA) die drei spezielle Fragestellungen prüft: die Wechselwirkung zwischen den Gruppen und der Zeit, der Effekt durch den Studienfaktor und der Effekt durch die Wiederholung (Zeit). Mit MS-Excel ist eine solche Auswertung schon recht aufwändig, daher ist es besser mit einer Statistik-Software weiterzuarbeiten.
Wichtige Voraussetzung ist, das die Messwerte angenähert der Normalverteilung entsprechen und das die so genannte Sphärizität gegeben ist (Sphärizität bedeutet das die Differenzen zwischen den Faktorstufen gleich sind). Weiter muss man sich Gedanken über das zugrunde liegende Modell machen (Modell I für feste Effekte, Modell II für zufällige Effekte oder Modell III für gemischte Effekte). Wenn die Daten mit SPSS ausgewertet werden, braucht man sich scheinbar um die zugrunde liegenden Modelle und Voraussetzungen keine Gedanken zu machen. Da SPSS standardmäßig alles berechnet was eventuell von Nutzen sein könnte und es dem kundigen Nutzer überlässt die relevanten Zahlen zu finden.
Zunächst wird eine Berechnung zum Faktor Zeit und zu den Wechselwirkungen ausgegeben (Multivariate Tests – Methode des allgemeinen linearen Modells) dabei gilt die “Pillai-Spur” als robustester Test. Es wird ein höchst signifikanter Einfluss der Zeit Festgestellt, die Wechselwirkung mit der Zeit ist hingegen nicht signifikant (Zeit p<0,0001 Zeit:Therapie p=0,385). Es folgt der Mauchly-Test auf Sphärizität, er prüft ob die Voraussetzung der Sphärizität gegeben sind. In unserem Beispiel ist der Wert Signifikant (p<0,0001) das bedeutet die Voraussetzung ist nicht gegeben. Daher werden die Ergebnisse in der Tabelle “Tests der Innersubjekteffekte” (Methode nach Fischer) die Zeile “Greenhouse-Geisser” entnommen. Es ergeben sich ähnliche Ergebnisse wie bei der “Pillai-Spur” (Zeit p<0,0001 Zeit:Therapie p=0,263). Es folgt die Berechnung der Nicht-Messwiederholungsfaktoren (Tests der Zwischensubjekteffekte). Es ergibt sich ein nicht signifikanter Einfluss der Therapie (p=0,073). Bühl (2014)
Tab2: Multivariate Tests
Effekt | Wert | F | Hypothese df | Fehler df | Signifikanz |
---|---|---|---|---|---|
Zeit | Pillai-Spur | 0,411 | 7,3 | 4 | 42 |
Wilks-Lambda | 0,589 | 7,3 | 4 | 42 | 0,000 |
Hotelling-Spur | 0,699 | 7,3 | 4 | 42 | 0,000 |
Größte char Wurzel nach Roy | 0,699 | 7,3 | 4 | 42 | 0,000 |
Zeit* Therapie | Pillai-Spur | 0,092 | 1,1 | 4 | 42 |
Wilks-Lambda | 0,908 | 1,1 | 4 | 42 | 0,385 |
Hotelling-Spur | 0,102 | 1,1 | 4 | 42 | 0,385 |
Größte char Wurzel nach Roy | 0,102 | 1,1 | 4 | 42 | 0,385 |
Tab3: Mauchly-Test auf Sphärizität prüft ob die Voraussetzung der Sphärizität gegeben ist.
Innersubjekteffekt | Mauchly-W | Chi-Quadrat | df | Signifikanz |
---|---|---|---|---|
ZEIT | 0,298 | 53 | 9 | 0,000 |
Tab4: Tests der Innersubjekteffekte
Quelle | Quadratsumme vom Typ II | df | Mittel der Quadrate | F | Signifikanz |
---|---|---|---|---|---|
Zeit | Sphärizität angenommen | 2526380 | 4,0 | 631595 | 7,9 |
Greenhouse-Geisser | 2526380 | 3,1 | 825275 | 7,9 | 0,000 |
Huynh-Feldt | 2526380 | 3,4 | 746785 | 7,9 | 0,000 |
Untergrenze | 2526380 | 1,0 | 2526380 | 7,9 | 0,007 |
Zeit* Therapie | Sphärizität angenommen | 426332 | 4,0 | 106583 | 1,3 |
Greenhouse-Geisser | 426332 | 3,1 | 139267 | 1,3 | 0,263 |
Huynh-Feldt | 426332 | 3,4 | 126022 | 1,3 | 0,261 |
Untergrenze | 426332 | 1,0 | 426332 | 1,3 | 0,253 |
Fehler(Zeit) | Sphärizität angenommen | 14306507 | 180,0 | 79481 | |
Greenhouse-Geisser | 14306507 | 137,8 | 103854 | ||
Huynh-Feldt | 14306507 | 152,2 | 93976 | ||
Untergrenze | 14306507 | 45,0 | 317922 |
Tab5: Tests der Zwischensubjekteffekte
Quelle | Quadratsumme vom Typ II | df | Mittel der Quadrate | F | Signifikanz |
---|---|---|---|---|---|
Intercept | 38701552 | 1 | 38701552 | 263,6 | 0,000 |
Therapie | 493543 | 1 | 493543 | 3,4 | 0,073 |
Fehler | 6607055 | 45 | 146823 |
Auswerten mit R
Wenn die Auswertung mit R berechnet wird, schaut das Ergebnis kompakter und übersichtlicher aus. Allerdings muss man sich vorher Gedanken machen, welche Zusammenhänge wichtig sind. Eine gute Anleitung dazu gibt es hier R and Analysis of Variance und hier Katholieke Universiteit Leuven, weiterführende Aspekte (Post-Hoc Tests) beschreibt Paul Gribble in seinem Blogbeitrag Repeated Measures ANOVA using R.
Ich habe den traditionellen Ansatz mit einem F-Test gewählt den R-Code dazu gibt es hier zum Ausprobieren dabei habe ich mich weitgehend an Sachs (2006) Seite 543 bis 547 angelehnt. Die Berechnungen sind identisch mit denen von SPSS da die gleichen Rechenschritte zugrunde liegen, der Einfluss der Zeit ist signifikant (p<0,0001) die Wechselwirkung hingegen ist nicht signifikant (p=0,257) und er Einfluss der Therapie ist nicht Signifikant (p=0,073).
Therapie Ja | Therapie Nein | T-Wert | p-Wert | |
---|---|---|---|---|
Max | 569 | 843 | -2.88 | 0.007 |
AUC | 1451 | 1897 | -2.22 | 0.032 |
REGR | -62 | -30 | -1.22 | 0.230 |
Startwert | 446 | 547 | -1.11 | 0.273 |
Endwert | 199 | 293 | -1.56 | 0.125 |
Regressions-Koeffizient händisch nach dem Kochrezept von Sachs (2006) berechnet.
stratum | term | df | sumsq | meansq | statistic | p.value |
---|---|---|---|---|---|---|
Proband | Therapie | 1 | 493543 | 493543 | 3.36 | 0.073 |
Proband | Residuals | 45 | 6607055 | 146823 | NA | NA |
Within | Zeit | 4 | 2526380 | 631595 | 7.95 | 0.000 |
Within | Therapie:Zeit | 4 | 426332 | 106583 | 1.34 | 0.256 |
Within | Residuals | 180 | 14306507 | 79481 | NA | NA |
Alternativer für Messwiederholung plus Post Hoc Test. (Entnommen Paul Gribble Repeated Measures ANOVA using R.)
response | term | estimate | std.error | statistic | p.value |
---|---|---|---|---|---|
RMT0 | (Intercept) | 425 | 77 | 5.51 | 0.000 |
RMT0 | TherapieNein | -59 | 102 | -0.58 | 0.567 |
RMT1 | (Intercept) | 446 | 73 | 6.11 | 0.000 |
RMT1 | TherapieNein | 101 | 96 | 1.04 | 0.302 |
RMT2 | (Intercept) | 416 | 90 | 4.64 | 0.000 |
RMT2 | TherapieNein | 209 | 118 | 1.76 | 0.084 |
RMT3 | (Intercept) | 277 | 40 | 6.99 | 0.000 |
RMT3 | TherapieNein | 118 | 52 | 2.25 | 0.029 |
RMT4 | (Intercept) | 199 | 48 | 4.11 | 0.000 |
RMT4 | TherapieNein | 95 | 64 | 1.48 | 0.145 |
Interpretation der Ergebnisse
Die Interpretation der Ergebnisse geht von der Hypothese aus: “Es besteht keine Wechselwirkung zwischen Therapie (Studienfaktor) und der Zeit. Laut den Ergebnissen der Varianzanalyse besteht keine Wechselwirkung mit der Therapie. Im Profildiagramm (Abb. 1) und in der Berechnung der Maximalwerte und der Fläche unter der Kurve (AUC, area under curve) zeichnet sich aber ein messbarer Effekt der Therapie ab. Die Daten im Beispiel zeigen deutlich das manchmal einfachere Methoden besser geeignet sind Daten zu beschreiben.
Literatur
Bühl, Achim. 2014. SPSS 22 : Einführung in Die Moderne Datenanalyse -. München: Pearson.
Sachs, Lothar. 2006. Angewandte Statistik - Anwendung Statistischer Methode. Berlin Heidelberg New York: Springer-Verlag.